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Einstiegsfrage: Wer kennt Scheherazade? Richtig: Scheherazade ist die kluge und mutige Tochter des Großwesirs von Isfahan und Braut eines persischen Königs aus dem Mittelalter. Und zwar Braut für eine Nacht. Warum nur für eine Nacht?

Planung vor Spontanität – auch bei PR und dem Posten in Social Media

Und warum erzähle ich das jetzt, im Juli 2025? Weil, mal ehrlich, wenn es um Vertrieb, Marketing und PR geht, derzeit alle entweder von KI und ChatGPT reden. Oder von Storytelling. Wir reden heute sicher auch von KI. Vor allem aber reden wir von Storytelling.

Denn wir Menschen fahren einfach auf alles ab, was als Geschichte daherkommt. Ganz gleich, wer sie zum Besten gibt, die Storys. Wir Menschen wollen einfach immer Storys, Storys, Storys. Aber warum ist das so? Warum fahren wir Menschen so auf Storys ab? Wo hat das alles angefangen?

Für die meisten von uns hier im Raum vermutlich im Kinderzimmer. Papa, liest du mir noch was vor? Räuber Hotzenplotz, Jim Knopf, Pipi Langstrumpf, Die kleine Raupe nimmersatt, Der Grüffelo, oder, für die schon größeren dann: die drei Fragezeichen. Herrlich.

Aber das war natürlich nicht der Anfang. Der Anfang war nämlich – das Feuer. Oder vielmehr: das Lagerfeuer. Hier am Lagerfeuer versammelt sich der frühe Mensch. Draußen ist es dunkel, kalt, gefährlich und einsam. Am Feuer ist es hell, warm, sicher und gemütlich. Hier wird gekocht. Hier wird gegessen.

Hier werden vor allem aber auch Geschichten erzählt. Storys von dramatischen Jagden, von schrecklichen Geistern, von beschützenden Vorfahren und und und …

Am Feuer rückt die Gruppe zusammen, erzählt und lauscht, erfährt dadurch Nähe, Vertrauen, Gemeinschaftsgefühl.

Und was versuchen wir im Marketing mit den Millionen-Budgets in den Köpfen unseren Kunden zu erzeugen? Genau. Daher Storytelling auf allen Ebenen des Marketings, auf allen Kanälen, wir kennen sie ja zur Genüge …

Wir alle wissen: Eine gute Story ist ein Vermögen wert.

Okay. Ich fasse kurz nochmals zusammen: am Anfang war das Feuer. Am Feuer (und seinen modernen Spielarten) erzählten (und erzählen) sich die Menschen Storys. Über die Storys kommt man sich noch näher. Stellt Verbindung her, Gemeinschaftsgefühl. Kaufbereitschaft.

Bleibt die Frage, was das eigentlich ist, Story? Von was reden wir denn, wenn wir von Storys sprechen? Und warum ist es überhaupt wichtig, zu wissen, was eine Story ist?

Gestern ging ich mit Anna im Waldfriedhof spazieren. Sie liest gern die Grabinschriften. Anschließend gab es Kuchen.

Ist das eine Geschichte? Empfinden wir das eben gehörte als Story? Ich denke mal: Nein. Warum nicht? Weil es keine Geschichte ist.

Gestern ging ich mit Anna im Waldfriedhof spazieren. Sie liest gern die Grabinschriften. Eine lautet: Glotz nicht so blöd – ich läge jetzt auch lieber am Strand. Anna bricht in Tränen aus.

Ist das eine Geschichte? Ja, Das ist eine Geschichte. Und warum? Was  ist passiert? Wo liegt der Unterschied? Richtig. Er liegt im Unterschied. Während nämlich im ersten Text nichts passiert, passiert im zweiten sehr wohl etwas. Anna bricht in Tränen aus!

Der erste Text ist übrigens eine Anekdote. Die Formel für eine Anekdote lautet

A + Z = A, A steht für einen Zustand 1, Z für ein beliebiges

Der zweite Text, der ist eine Story. Die Formel für eine Story lautet

A + Z = B, A steht für einen Zustand 1, Z für ein beliebiges Ereignis und B Zustand 2.

Eine Story erkennen wir also daran, dass am Ende etwas anders ist als zu Beginn. In der Regel ist der Held (Anna) anders. Manchmal ist es aber auch nur der Name eines Schoko-Riegels. Das ist dann zwar auch eine Story. Aber es gibt eben gute und weniger gute Storys.

Nochmals: Die Formel für eine Story lautet A + Z = B

Mit dieser Formel erkennt ihr ab sofort und für immer, wann eine Story überhaupt eine Story ist und keine (vielleicht langweilige) Anekdote.

Warum das wichtig ist?

  1. Weil es um Marketing geht. Um den Einsatz von Ressourcen wie Zeit und Geld. Und weil wir wissen wollen, warum manche Marketing-Aktionen flutschen und andere floppen. Richtig: an den Storys liegt’s.
  1. Weil Storys, das Erzählen von Geschichten, der Königsweg ins Herz der Kunden ist: Sie erzeugen Nähe, Vertrauen, Zugehörigkeit – Stichwort Lagerfeuer.

Funktioniert übrigens, wissenschaftlich erforscht, von Mensch zu Mensch aufgrund von sogenannten Spiegelneuronen. (Joachim Bauer)

Und Scheherazade? Warum war Scheherazade Braut für eine Nacht? Nun, weil der persische König von allen Frauen sehr tief enttäuscht war, nachdem seine erste Frau ihn betrogen hat. Und der König aus Schmerz und Rache fortan jeden Tag eine neue Frau geheiratet hat – nur um die unglückliche Auserwählte am nächsten Morgen hinrichten zu lassen.

Um dieses grausame Schicksal viel zu vieler unglücklicher Frauen zu durchbrechen und sich selbst zu retten, erzählt Scheherazade dem König gleich in der Hochzeits-Nacht eine Geschichte. Aber (cliffhanger) natürlich erzählt sie diese nicht zu ende. Sie hört, Netflix lässt grüßen, da auf, wo es am Spannendsten ist.

Vor lauter Wunderfitz verschont der König seine Scheherazade am nächsten Morgen, um am Abend die Fortsetzung zu hören, und das 1001 Nacht lang …

Schlau, ja. Aber Scheherazade erzählt die Geschichten eben nicht nur, um ihr eigenes Leben zu retten. Sie hat nämlich den Vater eigens gebeten, Braut des mörderischen Königs zu werden, um ihn … ja … genau … um den König zu verändern.

Denn durch die 1001-Erzählung vermittelt Scheherazade dem König neben Spannung und Vergnügen Werte wie Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Weisheit, Liebe.

Am Ende ist der König geläutert. Er verliebt sich wahrhaftig in Scheherazade und macht sie zur Königin, geheilt von seinem Schmerz, geläutert von seinem Wahn, im Leben wieder angekommen.

Ergo: Storytelling kann Leben retten, ganz sicher Umsatz generieren, mindestens aber Spannung, Unterhaltung und Kurzweil schaffen. Wenn sie gut gemacht sind. Und damit möchte ich die Diskussion eröffnen, ob und wie weit uns ChatGPT und andere KIs da Konkurrenz oder das Leben leichter machen.